Psychoanalyse im Nationalsozialismus. Vom Widerstand zur Gleichschaltung - Jahrbuch der Psychoanalyse 20

von: Volker Friedrich, Hermann Beland, Friedrich-Wilhelm Eickhoff, Wolfgang Loch, Edeltrud Meistermann-Se

frommann-holzboog Verlag Jahrbuch der Psychoanalyse, 1987

ISBN: 0009410020208 , 27 Seiten

Format: PDF

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 18,00 EUR

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Psychoanalyse im Nationalsozialismus. Vom Widerstand zur Gleichschaltung - Jahrbuch der Psychoanalyse 20


 

Gegenwärtig sind die deutschen Psychoanalytiker ein drittes Mal in eine Kontroverse über ihr wissenschaftliches Selbstverständnis und ihr Verhältnis zu den sozialen und politischen Kämpfen verstrickt. In der Beschäftigung mit der Geschichte der Psychoanalyse im nationalsozialistischen Deutschland ist ein aufreibender Erinnerungs- und Durcharbeitungsprozeß in Gang gekommen. Neue Tatsachen sind bekanntgeworden über die Gleichschaltung der Psychoanalyse durch die in Deutschland gebliebenen Psychoanalytiker und die Integration des Berliner Psychoanalytischen Institutes in das NS-System. Parallel zur Durchsetzung der nationalsozialistischen Herrschaft unterzogen sich die Psychoanalytiker einem selbstorganisierten Gleichschaltungsprozeß, der sie in zwei Gruppen spaltete, in jüdische und in arische Psychoanalytiker. Letztere waren bemüht, ihr Institut und ihre Wissenschaft zu retten. Sie waren überzeugt, die Psychoanalyse als reine medizinische Wissenschaft - entgegen dem Verdacht einer Weltanschauung - weiterhin ausüben zu können. Ihnen war bewußt, daß die Gefahr bestand, allein auf sich gestellt die Psychoanalyse nicht ohne Verfälschung rein erhalten zu können. Im Deutschen Institut waren sie in verantwortlicher Stellung tätig. Nacheinander wurden wissenschaftliche Positionen aufgegeben und die Selbständigkeit psychoanalytischer Tätigkeit preisgegeben. Unter allen psychotherapeutisch tätigen Gruppen und Richtungen entfernten sie sich am weitesten von den inhaltlichen Positionen ihrer Wissenschaft vor 1933. Nach 1945 gab es keinen Versuch, im selbstanalytischen Prozeß die Verantwortung für die Gleichschaltung der Psychoanalyse und der psychoanalytischen Praxis wahrzunehmen. Noch bewegt von dem Neuen wurde sofort versucht, das zerstörte Institut, die Sammelstätte der Psychotherapie in ganz Deutschland, aufzubauen. Dabei kristallisierten sich die psychotherapeutische und psychoanalytische Seite heraus. Die psychotherapeutische Seite verleugnete in ihrem Gründungsaktivismus die Integration in das nationalsozialistische Konzept einer Deutschen Psychotherapie, die psychoanalytische Seite ging davon aus, bruchlos an die Tradition von vor 1933 anknüpfen zu können. So erscheinen Kontroversen zwischen 1945 und 1950 in der Deutschen Psychoanalytischen Gesellschaft um die neoanalytische Theorie von Schultz-Hencke, die richtige Form eines Ausbildungsinstitutes, die Notwendigkeit eines eigenständigen psychoanalytischen Institutes und die unverfälschte Lehre von Sigmund Freud als Versuch, der Auseinandersetzung um die Verantwortlichkeit für die Geschichte der Psychoanalyse zwischen 1933 und 1945 zu entkommen. Im Vorwurf der Orthodoxie gegenüber der Deutschen Psychoanalytischen Vereinigung steckt insofern ein wahrer Kern, als die Gründer der neuen Vereinigung in Identifikation mit der Internationalen Vereinigung die Integration in das NS-System wirksam verleugneten.