Zur Psychodynamik der Anniversary Reactions - Jahrbuch der Psychoanalyse 17

von: Ludwig Haesler, Hermann Beland, Friedrich-Wilhelm Eickhoff, Wolfgang Loch, Edeltrud Meistermann-Seeg

frommann-holzboog Verlag Jahrbuch der Psychoanalyse, 1985

ISBN: 0009410017207 , 56 Seiten

Format: PDF

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 18,00 EUR

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Zur Psychodynamik der Anniversary Reactions - Jahrbuch der Psychoanalyse 17


 

Anniversary reactions sind regressive Phänomene der unterschiedlichsten Art, die zu einem signifikanten ,anniversary'-Zeitpunkt klinisch manifest werden. Ihnen liegen spezifische, auf das »anniversary« bezogene Identifizierungen und Introjektionen zugrunde, die zum anniversary-Zeitpunkt aktualisiert und dynamisch wirksam werden. Als wesentliche, meist kombiniert, selten isoliert wirkende Bedingungen für das Entstehen von Dispositionen zur anniversary reaction lassen sich differenzieren: 1. Störungen der Separationsentwicklung und deren Auswirkungen, 2. Art und Intensität konflikthafter Verstrickungen mit signifikanten Objekten und die daraus resultierende Intensität an Scham und/oder Schuld, 3. Traumatisierungen und deren Folgen und 4. Objektverlust durch Veränderung, Trennung und Tod. Daß kalendarische Zeit- und Datumskategorien zu einer wesentlichen Bedingung der Aktualisierung werden, ist in einer spezifischen magischen Beziehung zu Zahlen und Daten begründet. Deshalb ist nicht, wie dies oft geschieht, von einem in anniversary reactions wirksamen »unbewußten Zeitsmn« zu sprechen - ein Konzept, das grundlegenden Annahmen über das Unbewußte widerspricht - , sondern von einem unbewußten Datumssinn, der entweder zu einer bewußten Auseinandersetzung mit,kritischen Daten’ i. S. der Zwangsabwehr und/oder zur unbewußten Auseinandersetzung mit unbewußten Zeitsymbolen führt, die wie in der »Rechenkunst des Traumes« (Freud) behandelt werden. Bei einem nicht unwesentlichen Teil von anniversary reactions erfolgt die Aktualisierung jedoch nicht über kalendarische Zeit- und Datumskategorien, sondern über gestalthafte Wahrnehmungsprozesse i. S. einer Wahrnehmungsidentität von gegenwärtigen und (konflikthaften oder traumatischen) vergangenen Erinnerungs- und Wahrnehmungsgestalten. Strenggenommen handelt es sich um anniversary reactions ohne kalendarisch bestimmtes ,anniversary'; die Kategorie der kalendarischen Zeit wird hier erst mit dem Deutungsprozeß eingeführt. Da sich in anniversary reactions vielfach dynamisch zentrale Konflikte kristallisieren, sind anniversary reactions von besonderer Bedeutung für den diagnostischen und therapeutischen Prozeß. Dabei erschließt sich die besondere dynamische Relevanz einer anniversary-Konstellation vor allem aus der Analyse der aktuellen Übertragungs-Gegenübertragungsdynamik.