Das frühe Trauma in Übertragung und Gegenübertragung - Jahrbuch der Psychoanalyse 15

von: Dinora Pines, Hermann Beland, Friedrich-Wilhelm Eickhoff, Wolfgang Loch, Edeltrud Meistermann-Seeger

frommann-holzboog Verlag Jahrbuch der Psychoanalyse, 1983

ISBN: 0009410015205 , 26 Seiten

Format: PDF

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 18,00 EUR

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Das frühe Trauma in Übertragung und Gegenübertragung - Jahrbuch der Psychoanalyse 15


 

Ich habe das Material aus der direkten Beobachtung von Müttern herangezogen, die ihre Ekzem-Babies versorgten, und im Anschluß daran analytisches Material von zwei Patientinnen mit einer Geschichte dieser Krankheit vorgelegt. Diese Patienten machten eine zu ausgedehnte Erfahrung körperlicher Linderung durch ihre Mütter oder andere Pflegepersonen, so daß die symbiotische Phase über Gebühr hinaus verlängert wurde. Sie wurden vor der Entwicklung des Sprachdenkens, der sprachlichen Kommunikation und vor der sprachlichen Symbolbildung traumatisiert. Ich habe zu zeigen versucht, daß sich in der Analyse solcher Patienten zwei Möglichkeiten ergeben, die beide in der frühen Erfahrung der Fürsorge durch ihre Umgebung wurzeln. Die erste Patientin, Mrs. B., hatte unbewußt immer von neuem versucht, Kontakt mit einem archaischen Objekt wiederzugewinnen, das ihr ursprünglich eine urtümliche Erfahrung befriedigender körperlicher Erleichterung vermittelt hatte. Bei der zweiten Patientin, Mrs. C., hatten zwei physisch unversöhnbare Objekte zu einer frühen Spaltung der Selbstrepräsentanz geführt, die durch Projektion und eine Phantasie omnipotenter Kontrolle aufrechterhalten wurde. Daraus entwickelte sich die Schwierigkeit, Objektkonstanz zu bewahren. Bei beiden Patienten scheinen diese Schwierigkeiten durch alle Lebensphasen erhalten geblieben zu sein, allerdings durchwoben von den neuen Beziehungen, in denen die Hoffnung auf Integration und Verarbeitung der primitiven Objektbeziehungen wiederbelebt, aber auch bekämpft wurden. Die primitive Angst vor Selbstverlust bedroht die Individuation sehr. Die narzißtische Störung aus der verständlichen Enttäuschung der Mutter über das Aussehen ihres Babys bleibt unverändert erhalten, trotz der Erfolge des erwachsenen Lebens. Die früh gebildete Repräsentanz vom armen Selbst bleibt bestehen, ist oft verborgen durch ein falsches Selbst und persistiert unverändert, ja unberührt von der widerspiegelnden Liebe und Bewunderung, die aus der erfolgreichen Ehe und der Geburt gesunder Kinder kommen. Die körperlichen Veränderungen der Adoleszenz, der Schwangerschaft und der Reife, die unvermeidlich die Selbstrepräsentanz der Frau verändern, haben keinen Einfluß auf die Grundanschauung, die sie von ihrer Person in der Frühzeit gebildet hat. Patienten mit derartigem Frühtrauma fehlt ein sicheres Gefühl ihres Körperbildes und des Selbst. Sie müssen sich an omnipotente Phantasien halten, um ihr Selbstgefühl einigermaßen stabil zu halten. Die Analyse dieser Phantasien führt zu heftiger Projektion primitiver Gefühle auf den Analytiker und zum Wiedererleben primitiver Affekte, die ursprünglich von ihren Müttern nicht aufgenommen (contained) worden waren. Ihr prekäres Identitätsgefühl ist bedroht, und sie denken mit Schrecken an die Wiederholung der ursprünglich erfahrenen Angst vor dem «unaufhörlichen Fallen» («falling for ever»), wie Winnicott es beschrieben hat. Die analytische Aufgabe, vor der Analytiker und Patient stehen, ist enorm und für beide schwer erträglich. Trotzdem, Patienten, die eine ausreichend gute körperliche Versorgung in ihrer Frühzeit hatten, haben aus dieser Erfahrung gelernt, daß sie psychischen Schmerz für die Mutter übersetzen und durch sichtbares körperliches Leiden kommunizieren können. Auf diese Weise kamen sie zu Wohlbehagen und Erleichterung und sehnen sich danach, diese Erfahrung zu wiederholen. Es sind deshalb keine Patienten, die in hoffnungslose Verzweiflung versinken. Sie haben gelernt, den psychischen Prozeß zu umgehen, bei dem man unerträglichen Schmerz wie Kummer und Trauer aushalten muß (contain). Sie müssen jedoch von einem äußeren Objekt suchen, was sie an Erleichterung durch die früheste Mutter-Kind-Beziehung bekommen haben. Die analytische Situation ist für diese Patienten besonders frustrierend, weil es keinen körperlichen Kontakt gibt. Dies führt zu Übertragungs- und Gegenübertragungsschwierigkeiten, da die primitive Drohung für die Patienten heißt, der Mutter wiederum emotional ausgeliefert und unterworfen zu sein. Trotzdem sind sie hochsensibel und beobachten genau und kommen zur Analyse in der Hoffnung auf Erleichterung und Hilfe. Sie erfordern besondere Geduld von Seiten des Analytikers, weil sie partiellen mütterlichen Mangel erlitten haben, mit der Folge, daß primitive Aggression und Frustration nicht zum Ausdruck gebracht und von der Mutter nicht aufgenommen wurden (be contained). Diese Patientinnen sind eine Herausforderung für den Analytiker. Sie halten ihn in Verwirrung, bis die primitive Natur der Störung aus der genauen Wechselbeziehung der therapeutischen Situation erfaßbar, d. h. die Arbeit ganz besonders auf Übertragung und Gegenübertragung konzentriert ist. Der psychische Schmerz dieser Patientinnen ist ebenso real wie ihre Hoffnung, vom Analytiker gefunden und verstanden zu werden, so daß ein Neuanfang mit wirklicher Individuation und Trennung gemacht werden kann.