Psychotherapie als phasenspezifische Interaktion - Jahrbuch der Psychoanalyse 13

von: Veikko Tähkä, Hermann Beland, Friedrich-Wilhelm Eickhoff, Wolfgang Loch, Edeltrud Meistermann-Seeger

frommann-holzboog Verlag Jahrbuch der Psychoanalyse, 1981

ISBN: 0009410013206 , 25 Seiten

Format: PDF

Kopierschutz: Wasserzeichen

Windows PC,Mac OSX Apple iPad, Android Tablet PC's

Preis: 18,00 EUR

Mehr zum Inhalt

Psychotherapie als phasenspezifische Interaktion - Jahrbuch der Psychoanalyse 13


 

Diese Arbeit ist ein Versuch zu zeigen, daß es auf der Grundlage der gegenwärtigen Kenntnis von der frühen Persönlichkeitsentwicklung möglich ist, ein konsistentes, logisches Modell psychoanalytischer Psychotherapie aufzubauen. Es ist also ein Versuch, eine allgemeingültige psychoanalytische Theorie der Psychotherapie zu entwerfen. Insoweit als Psychotherapie ein Bemühen ist, die nun einmal gestörten Entwicklungs-Interaktionen zu re-aktivieren, wobei die Aufgabe des Therapeuten analog (aber nicht identisch!) ist zu denen der phasenspezifischen Primärobjekte, dürfte es möglich sein, auf der Basis unserer psychoanalytischen Kenntnis der Persönlichkeitsentwicklung die zentralen Aufgaben und Heilfaktoren verschiedener Ebenen neurotischer Pathologie wie folgt zu konzeptualisieren: Wenn Psychose als ein Zustand angesehen wird, in dem die Differenzierung zwischen Selbst- und Objektrepräsentanzen verloren gegangen ist, dann ist die phasenspezifische Aufgabe des Therapeuten, für die innere Welt des Patienten ein gutes Objekt zu werden, indem er ihn adäquat mit Gratifikations-Erfahrungen versorgt. Wenn borderline-states, wie wir annehmen, als Zustände anzusehen sind, bei denen die Bildung der Ich-Strukturen gestört ist, dann besteht die Funktion des Therapeuten analog zu der des Primärobjektes darin, den Patienten mit geeigneten Identifikations-Modellen zu versehen, die den späteren Aufbau eines Ichs ermöglichen können. Wenn Neurose als pathologischer Zustand einer bereits strukturierten Persönlichkeit zu betrachten ist, für die verdrängte Liebes- und Haßprobleme spezifisch sind, dann ist es die Aufgabe des Therapeuten, dem Patienten beizustehen, sich dieser Gefühle bewußt zu werden und sie durch erlangte Einsichten aufzulösen; dies geschieht mit Hilfe von Interpretationen und Durcharbeiten. Alles zuvor Gesagte kann auch so formuliert werden, daß man in der Psychotherapie immer versucht, Internalisationen so zu fördern, daß sie phasenspezifisch der Entwicklungsstörung des Patienten entspricht. Bei Psychosen ist es das Ziel, mit dem korrespondierenden Bild eines akzeptablen Selbst ein gutes Introjekt zu schaffen. Bei den borderline-states geht es darum, eine zusammenhängende Ich- Struktur mit Hilfe von selektiven Identifikationen zu erreichen. Bei Neurosen ist das Endziel die schließliche Integrierung von Internalisierungen zu einem realistischen Identitätsgefühl und der Annahme altersgemäßer Objekte. Für den psychotischen Patienten müssen wir ein Objekt werden, für den borderline-Patienten müssen wir als Objekt handeln, und den neurotischen Patienten — endlich — müssen wir von einem Objekt befreien, das für ihn überflüssig geworden ist. Ich habe gewiß nicht die Absicht, schematisch vereinfachend zu behaupten, daß Psychosen ausschließlich durch Gratifikation, borderlinestates nur durch Beschaffung von Identifizierungs-Modellen oder Neurosen durch Förderung von Einsicht behandelt werden sollten. Alle jene Faktoren werden in verschiedenem Ausmaß bei den meisten therapeutischen Prozessen zu beobachten sein, wobei in den aufeinanderfolgenden Stadien das eine oder andere dominiert. Das, was phasen-spezifisch in jedem Augenblick heilend wirkt, hängt allein von der spezifischen Qualität der Interaktion ab und von der Eigenschaft des Primärobjektes, das der Therapeut gerade jetzt für den Patienten darstellt. Wenn der Therapeut all dies richtig erfassen will, muß er sensibel und geschickt genug sein, um seine komplementären und empathischen Reaktionen zur Wirkung zu bringen.