Die ausgeblendeten Hörner. Zu Freuds Essay über den Moses des Michelangelo - Jahrbuch der Psychoanalyse 49

von: Ilse Grubrich-Simitis, Claudia Frank; Ludger M. Hermanns; Helmut Hinz

frommann-holzboog Verlag Jahrbuch der Psychoanalyse, 2004

ISBN: 0009410049204 , 28 Seiten

Format: PDF

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 18,00 EUR

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Die ausgeblendeten Hörner. Zu Freuds Essay über den Moses des Michelangelo - Jahrbuch der Psychoanalyse 49


 

Sigmund Freuds Essay über den Moses des Michelangelo ist ein quasi-autobiographischer Text. In den Jahren 1912 bis 1914, seiner Entstehungszeit und zugleich der Phase der Auseinandersetzung mit C.G. Jung, war Freud von der Skulptur regelrecht besessen gewesen. Im Gegensatz zum Bibelwortlaut zeige Michelangelo, so Freuds projektive Deutung, einen Moses, der sich beim Anblick seines um das Goldene Kalb tanzenden Volkes nicht im Zorn dazu hinreißen lasse, die Gesetzestafeln zu zerschmettern. Diese Deutung ist irrig – Freud hatte wichtige, sie widerlegende Details, insbesondere die Hörner auf Moses’ Haupt, ausgeblendet –, aber in ihr schuf er sich in einer persönlichen Krise ein personalisiertes Ichideal der Selbstbeherrschung. Laut einer neueren und stimmigeren kunsthistorischen Deutung zeigt Michelangelo den Moses in einer späteren Lebensphase, nach einer Unterredung mit Gott, in deren Verlauf ihm sein bevorstehendes Ende verkündet wird. So gesehen, wurzelt die unvergängliche Wirkung der Statue in der meisterlichen Darstellung des Schreckens angesichts von Gebrechlichkeit und Sterblichkeit des Menschen wie auch der schließlichen Zähmung dieses Schreckens. Zwischen beiden Deutungen gibt es Berührungspunkte.