Von Freud träumen: Ferenczi, Freud und eine Analyse ohne Ende - Jahrbuch der Psychoanalyse 41

von: Ernst Falzeder, Friedrich-Wilhelm Eickhoff; Hermann Beland; Ilse Grubrich-Simitis; Ludger M. Hermann

frommann-holzboog Verlag Jahrbuch der Psychoanalyse, 1999

ISBN: 0009410041208 , 15 Seiten

Format: PDF

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 18,00 EUR

Mehr zum Inhalt

Von Freud träumen: Ferenczi, Freud und eine Analyse ohne Ende - Jahrbuch der Psychoanalyse 41


 

Diese Arbeit versucht zu zeigen, daß Ferenczi bereits vor seiner Analysebei Freud eine volle Übertragungsneurose entwickelt hatte, und daß überdies mit dieser Übertragungsneurose in der Analyse selbst nur unzulänglich umgegangen wurde und sie somit nicht aufgelöst werden konnte.Besondere Aufmerksamkeit wird einem bestimmten Traum Ferenczis gegeben. Er wurde kurz vor dem Beginn der Analyse geträumt, obwohl Ferenczi zu dieser Zeit noch nicht wußte, daß Freud tatsächlich zustimmen würde, ihn zu analysieren. Ferenczi veröffentlichte ihn in der Internationalen Zeitschrift für ärztliche Psychoanalyse, in der er als ein Traum eines „Patienten" präsentiert wurde und seine Interpretation als direktes Gespräch zwischen diesem anonymen Patienten und seinem Analytiker, angeblich Ferenczi selbst, wiedergegeben wurde. In Wirklichkeit sind aber der Traum und die Bemerkungen des Patienten Ferenczis eigene, während der „Analytiker" des Artikels Freud ist, wie Ferenczi sich ihn in der Analyse vorstellt, die, wie er hofft, stattfinden wird. So benützt Ferenczi den Traum und dessen Publikation, um Freud zu überreden, ihn zu analysieren, und dies nimmt er in den Traumgedanken wie auch im fiktiven Dialog zwischen Analytiker und Analysand vorweg. Beides deckt seine Einstellung, seine Hoffnungen und seine Ängste gegenüber dem auf, was folgt, besonders sein extremes Beschäftigtsein mit Freud selbst. Das zugrundeliegende Rationale ist gleichzeitig sein Wunsch, sich von diesem Einfluß zu befreien, seine Schwierigkeiten dabei, seine dringende Bitte an Freud, ihm zu helfen, unabhängiger von diesem Freud zu werden, ein Akt der Unterwerfung unter ihn und die Hoffnung, daß eine Psychoanalyse mit Freud ihm helfen würde, einen Weg aus all dem heraus zu finden. Auf diese starke und widersprüchliche Botschaft reagiert Freud, indem er einer Analyse zustimmt. Nicht überraschend wird sie auch zu einer Enttäuschung. Freud hatte zu der komplizierten Situation beigetragen, indem er ständig die Grenzen zwischen der beruflichen und privaten Sphäre in seiner Beziehung mit Ferenczi verwischte; er hatte noch nicht gänzlich die Werkzeuge entwickelt, um damit umzugehen, da er erst einige Wochen, bevor er Ferenczi in Analyse nahm, das Konzept der Übertragungsneurose entwickelt hatte; auch hatte er mindestens zwei persönliche Anliegen in dieser Analyse: Ferenczi zu überzeugen, daß er Gizella und nicht Elma heiraten sollte, und nicht Ferenczi als einen ,Sohn', einen treuen Verteidiger und Förderer der „Sache" und von ihm selbst zu verlieren. Obwohl sich Freud berechtigt fühlte, beinahe alle die Regeln zu brechen, die er eben in seinen technischen Schriften für Anfänger aufgestellt hatte, unterschätzte er die Folgen und überschätzte seine Fähigkeit, die folgende Situation zu kontrollieren - eine Analyse, die „zu Ende", aber nicht „beendet" war, oder beendet, aber ohne Ende. Ferenczis Kampf mit Freud wird bis zu seinem Lebensende dauern, wie es ihre Korrespondenz und Ferenczis Klinisches Tagebuch zeigen. Aber wir sollen nicht vergessen, daß Ferenczi entlang dieses Weges fähig gewesen war, aus seinem persönlichen Leiden heraus bahnbrechende theoretische Einsichten hervorzubringen, Konzepte, die die Psychoanalyse bis in die Gegenwart beeinflussen und in Freuds Worten „alle Analytiker zu seinen Schülern gemacht haben." Während wir beginnen, unsere Schuld gegenüber ihrem Urheber anzuerkennen, könnte es „eine Lektion in Demut für alle Analytiker" (Dupont), Zeuge ihrer schmerzhaften Herkunft sein.