Gegenübertragung und paradoxes System - Jahrbuch der Psychoanalyse 40

von: Michel de M'Uzan, Friedrich-Wilhelm Eickhoff; Hermann Beland; Ilse Grubrich-Simitis; Ludger M. Herma

frommann-holzboog Verlag Jahrbuch der Psychoanalyse, 1998

ISBN: 0009410040207 , 21 Seiten

Format: PDF

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 18,00 EUR

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Gegenübertragung und paradoxes System - Jahrbuch der Psychoanalyse 40


 

Der Autor beschreibt im Sinne einer extensiven Definition der Gegenübertragung, die alles einschließt, was von der Person des Analytikers während der Kur zum Zuge kommt, das Phänomen des unerwarteten Auftauchens befremdlicher, peinlicher Vorstellungen ohne ersichtlichen Zusammenhang mit dem Material der Stunde, als hätte der Analytiker sich der Situation entzogen. Während er den Eindruck hat, auszuklinken, nicht mehr derselbe zu sein, drängt sich ein präzises Bild auf und es kommt ihm ein merkwürdiger Gedanke in den Sinn, dessen Mitteilung als Deutung ein wichtiges Bruchstück der unbewußten Welt des Analysanden sowohl ankündigt als auch ausspricht. Der psychische Apparat des Analytikers ist buchstäblich zu dem des Analysanden geworden. Vermittels einer Vorstellung im psychischen Raum des Analytikers ergreift der Analysand Besitz vom Geist des Analytikers, überflutet ihn. Der Analytiker scheint sich als Individualität zurückgezogen zu haben, um nur noch funktionale Fähigkeiten zurückzulassen. Der Autor nennt diese Phänomene, die keine individuelle Reaktion auf die Übertragung des Patienten darstellen und keinem blinden Fleck des Analytikers entstammen, aber von erstaunlicher Polymorphie und Antizipationskraft sind, ja prophetischen Charakter haben, paradoxes Denken und ordnet das Paradoxe einer Zwischenposition an den Randbezirken des Unbewußten und Vorbewußten zu. Die Aneignung des psychischen Apparats des Analytikers verfolgt keine zerstörerischen Absichten, sondern hängt mit dem Schicksal der narzißtischen Libido der anwesenden Protagonisten zusammen und führt in die Zeit der Herausbildung des Subjekts zurück. Die Vorstellung des Analysanden im psychischen Raum des Analytikers verhält sich einem biologischen Modell zufolge wie ein Trophoblast; dem Analytiker ist es nicht erlaubt, sie in ihrer Andersheit zu erkennen. Die Trauer um den Verlust des narzißtischen Objekts der Mutter ist eine zu bittere Erfahrung, um akzeptiert zu werden. Die Erfahrung hinterläßt einen funktionalen Rückstand und die Fähigkeit der narzißtischen Libido, sich zwischen der Vorstellung des Subjekts selbst und der seiner Liebesobjekte hin und her zu bewegen. Die dem paradoxen System entsprechenden Deutungen verleihen ausgeschlossenen Vorstellungen eine sprachliche Form und erschüttern einen erstarrten ökonomischen Status. Der Patient durchlebt einen Augenblick der Trauer und zweifelt an der Existenz des Analytikers, der einen Teil seiner Triebe mit sich genommen zu haben scheint, ehe sie jäh mobilisiert und introjizierend in Besitz genommen werden können. Das paradoxe System ermöglicht dank der Fähigkeit zu primärer Identifizierung und der Toleranz für Depersonalisationserfahrungen und ein Schweben der Identitätsunterscheidung zwischen Subjekt und Objekt ein tiefreichendes Verständnis des Patienten.