Wandlungen des Menschenbildes durch Nietzsche und Freud - Jahrbuch der Psychoanalyse 30

von: Günter Gödde, Friedrich-Wilhelm Eickhoff; Wolfgang Loch; Hermann Beland; Ludger M. Hermanns; Albrec

frommann-holzboog Verlag Jahrbuch der Psychoanalyse, 1993

ISBN: 0009410030206 , 48 Seiten

Format: PDF

Kopierschutz: Wasserzeichen

Windows PC,Mac OSX Apple iPad, Android Tablet PC's

Preis: 18,00 EUR

Mehr zum Inhalt

Wandlungen des Menschenbildes durch Nietzsche und Freud - Jahrbuch der Psychoanalyse 30


 

Da ein direkter Vergleich der Menschenbilder Nietzsches und Freuds sehr schwierig erscheint und häufig nicht über vage Analogien hinausführt, werden in diesem Artikel vornehmlich philosophiegeschichtliche Perspektiven zur vergleichenden Interpretation herangezogen. So können Freuds Sicht des Menschen als »homo natura« und seine wissenschaftlich intendierte Konzeption des »Unbewußten« der Tradition der antirationalistischen und -idealistischen Natur-, Lebens- und »Willens«-Philosophien des 19. Jahrhunderts (Schelling, Schopenhauer, v. Hartmann, Nietzsche) zugeordnet werden. War Nietzsches Auseinandersetzung mit Schopenhauers Willensanthropologie für die Entwicklung seines Menschenbildes grundlegend, so rekurrierte auch Freud in wichtigen Grundauffassungen auf Schopenhauer. In seiner entwicklungs- und triebtheoretischen Orientierung und seiner grundsätzlichen Abkehr von der Metaphysik stimmte er aber eher mit» Nietzsche überein, der bereits unter dem Einfluß Darwins, des Positivismus und der neueren historischen, biologisch- physiologischen und psychologischen Forschungen stand. Auf diesem gemeinsamen geistigen Fundament erwuchs das Menschenbild einer «Zweiten Aufklärung», das im Spätwerk beider Denker zur Auseinandersetzung mit den Themen von Eros und Tod führte und in einer radikal diesseitigen, den Vorsokratikern nahestehenden Weltdeutung gipfelte. Als wesentliche Differenz blieb, daß Freuds wissenschaftliches und psychotherapeutisches Anliegen nicht mit Nietzsches Perspektivismus und Relativismus vereinbar war.