Intimität und Abstinenz in der psychoanalytischen Allianz - Jahrbuch der Psychoanalyse 25

von: Johannes Grunert, Friedrich-Wilhelm Eickhoff; Wolfgang Loch; Hermann Beland; Edeltrud Meistermann-Se

frommann-holzboog Verlag Jahrbuch der Psychoanalyse, 1990

ISBN: 0009410025206 , 33 Seiten

Format: PDF

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 18,00 EUR

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Intimität und Abstinenz in der psychoanalytischen Allianz - Jahrbuch der Psychoanalyse 25


 

Wahrscheinlich gibt es keine differenziertere Psychologie des Menschen als die Psychoanalyse. Die Stringenz des Zusammenwirkens bewußter und unbewußter Seelenkräfte läßt jedoch zuweilen vergessen, daß dieses Wissen von den Erfahrungen unmittelbaren zwischenmenschlichen Erlebens getragen wird, der Evidenz der zwischen Menschen wirkenden Gefühlskräfte. Damit konzedieren wir dem anderen, dem Patienten auch die Macht, Wünsche auszulösen und libidinöse wie narzißtische Befriedigungen zu verschaffen. Gefühle - stets die eigentlichen Beweger im analytischen Prozeß – sind bei Frühstörungen körpernäher, weniger neutralisiert, affektgeladener als bei klassischen Psychoneurosen. Mit zunehmender Intensität und schwindender Kontrollierbarkeit werden sie von den meisten Analytikern als bedrohlich erlebt. Das kann zu zwei antitherapeutischen Konsequenzen führen: 1. kann die Angst vor ihrer Mächtigkeit die wissenschaftliche Neugier, den Mut sich auszusetzen und u. U. in den Sog wechselseitiger Anziehung zu geraten, lähmen; 2. können vor allem die körpergebundenen sexuellen Gefühle eine Stärke gewinnen, die im Extremfall in eine sexuelle Beziehung mündet. Ich habe zu skizzieren versucht, welche Analytiker-Patienten-Konstellationen am ehesten Gefahr laufen, hier zu scheitern. Als wenig hilfreich erweist sich auch eine, die narzißtischen Bedürfnisse des jeweiligen analytischen Kollegen schonende Haltung analytischer Institutionen. Aber auch Abstinenzzwang sollte nicht die vorherrschende Einstellung des Psychoanalytikers sein, sondern die Fähigkeit zur Einhaltung der Intimitätsdistanz, einer antinomischen Haltung, die eine für den Fortgang des analytischen Prozesses notwendige Intimität mit der Einhaltung jener Distanz verbindet, welche die analytische Funktionsfähigkeit wahrt.