Zur intentionalen Sprache der Handlung als dem Fundament einer wissenschaftlichen Psychoanalyse - Jahrbuch der Psychoanalyse 18

von: Wolfgang Tress, Hermann Beland, Friedrich-Wilhelm Eickhoff, Wolfgang Loch, Edeltrud Meistermann-Seeg

frommann-holzboog Verlag Jahrbuch der Psychoanalyse, 1986

ISBN: 0009410018205 , 40 Seiten

Format: PDF

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 18,00 EUR

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Zur intentionalen Sprache der Handlung als dem Fundament einer wissenschaftlichen Psychoanalyse - Jahrbuch der Psychoanalyse 18


 

Aus einer kritischen, nie endgültig abgeschlossenen Normendiskussion erwächst die rational akzeptierbare Methode des Erfahrungsbezugs, ergänzt durch brauchbare theoretische Konzepte zur Gliederung der Erfahrung in einem Sinnzusammenhang. Die Verständnisgrundlage psychoanalytischer Erfahrung bilden zunehmend umfassendere intentionale Beschreibungen (dynamische Deutungen) der interaktionalen Praxis im normierten setting insbesondere hinsichtlich jener Aspekte, die von den beteiligten Akteuren konfliktbegründet aus der aktuellen Selbstbeschreibung (Bewußtsein) aktiv ausgegrenzt blieben. - Die Objektivität der intentionalen Beschreibung (dynamische Deutung) hat ihren systematischen Ort in der dem Analysanden wie dem Analytiker gemeinsamen, nach Art einer Sprache verfaßten Lebenswelt, also in der Lebenspraxis einer Sprachgemeinschaft. Sie, die Sprachgemeinschaft, konkretisiert sich etwa in der Teilnehmergruppe eines technisch-kasuistischen Seminars. Hiervon ausgehend versucht Roy Schafer das Fundament der Psychoanalyse als eine Handlungswissenschaft neu zu legen, mißversteht aber zum Schaden des ganzen Projektes, die von ihm favorisierten handlungs- und sprachphilosophischen Positionen. Um Analysand und Analytiker gegenüber einer physikochemisch-mechanistischen Metapsychologie auch konzeptuell als Personen zu rehabilitieren, führt er als Grundregel der Handlungssprache ein, jeden psychischen Vorgang, jedes Befinden, Erleben oder Verhalten als eine Handlung zu betrachten. So werden dann sogar Triebregungen, freie Assoziationen und Emotionen (Affekte, Gefühle, Stimmungen) als Handlung bestimmt, für die der Handelnde die Verantwortung trägt! Der infinite Regreß, der sich hier auftut, wird dargestellt, ebenso die Hauptlinien der Roy-Schafer-Diskussion, die sich zwangsläufig - da die Diskutanten über die sprach- und handlungsphilosophischen Grundbegriffe zumeist nicht selbst verfügen - in den idiosynkratischen Wirren der Schaferschen Konzeption verstricken. Besinnen wir uns indessen auf die methodische Explikation intentionaler Beschreibung, etwa bei Dennett, dann geht es im Falle einer Handlung stets um den finalen Sinnzusammenhang (im Gegensatz zu einem empirischen Kausalnexus) zwischen i) dem motivationalen Zukunftsbezug der Wünsche, der Begierden der Bedürfnisse und der Triebe, ii) der Erkenntnis situational relevanter Tatbestände (Kognitivität) und iii) der Rationalität angesichts von i) und ii). Die drei genannten Aspekte sind Konstituenten intentionaler Handlungsbeschreibungen und stehen im normativen Kontext einer Nötigungsrelation, die sich im praktischen Lebenszusammenhang zukünftig bewähren muß. Die so als intentionale Beschreibung adäquat rekonstruierte dynamische Deutung wird nun von der genetischen Deutung einem im Horizont der Kindlichkeit entworfenen Paradigma der menschlichen Entwicklung vom Säugling zur erwachsenen Person zugeordnet. Darin sind nicht nur für die Motivationen des Erwachsenen, sondern auch für seine Kognitivität und Rationalität Vorstufen bereitgehalten. Davon handelt die Allgemeine und die Spezielle Neurosenlehre. Wir gelangen so zu einem umfassenden Verständnis der Phänomene innerhalb des analytischen settings, welches «irrationales» Verhalten und Erleben als anachronistisch-rituelles Handeln identifiziert, das nach Inhalt und Form definierten Stadien eines entwicklungspsychologischen Kontinuums angehört. Die durchgearbeitete dynamische und genetische Deutung beweist ihre Gültigkeit, wenn sie dem Patienten eine Wahl eröffnet und ihn in die Entscheidung stellt, hinsichtlich des durchgearbeiteten Kontextes ein neues Handeln auf einem höheren Niveau der Personalität zu riskieren. Ein weiteres Kapitel neurotischer Übertragung wäre dann in der therapeutischen Beziehung abgeschlossen. Psychoanalyse als Wissenschaft sucht den Prozeß der Intentionalität innerhalb der Behandlung auf der Folie der Psychogenese abzubilden, um von dort Prognosen und therapeutische Handlungsanweisungen zu erlangen, die für den weiteren Prozeßverlauf relevant werden. Soweit das umfassend, kohärent und konsistent gelingt, liegen valide Erkenntnisse zur inneren Struktur der intentionalen Prozeßphänomene einer psychoanalytischen Therapie vor.