Psychotherapie als phasenspezifische Interaktion - Jahrbuch der Psychoanalyse 14

von: Veikko Tähkä, Hermann Beland, Friedrich-Wilhelm Eickhoff, Wolfgang Loch, Edeltrud Meistermann-Seeger

frommann-holzboog Verlag Jahrbuch der Psychoanalyse, 1982

ISBN: 0009410014213 , 25 Seiten

Format: PDF

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 18,00 EUR

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Psychotherapie als phasenspezifische Interaktion - Jahrbuch der Psychoanalyse 14


 

In dieser Arbeit wurde ein Versuch unternommen zu zeigen, daß es auf der Grundlage der gegenwärtigen psychoanalytischen Kenntnis von der frühen Entwicklung der Persönlichkeit möglich ist, ein konsistentes und logisches Modell psychoanalytischer Psychotherapie aufzubauen. Sie läuft auf diese Weise auf einen Versuch hinaus, eine allgemeine psychoanalytische Theorie der Psychotherapie zu entwerfen. Insoweit Psychotherapie eine Bemühung ist, die einst gestörten Entwicklungs-Interaktionen zu re-aktivieren, wobei die Aufgabe des Therapeuten analog zu der der phasenspezifischen primären Objekte (aber nicht mit ihr identisch) ist, ist es möglich, auf der Basis der psychoanalytischen Kenntnis der Persönlichkeitsentwicklung die zentralen Aufgaben und Heilfaktoren auf verschiedenen Ebenen der Pathologie folgendermaßen zu konzeptualisieren: Wenn Psychose als ein Zustand angesehen wird, in dem die Differenzierung zwischen Selbst- und Objektrepräsentanzen verloren gegangen ist, dann ist es die phasenspezifische Aufgabe des Therapeuten, in der inneren Welt des Patienten ein gutes Objekt zu werden, indem er ihn adäquat mit Erfahrungen von Gratifikation versorgt. Wenn Borderline-Zustände als Verfassungen betrachtet werden, bei denen die Störung in der Bildung der Ich-Strukturen spezifisch ist, dann besteht die Funktion des Therapeuten analog zu der des primären Objekts darin, den Patienten mit brauchbaren Identifikations-Modellen für den verspäteten Aufbau des Ichs zu versehen. Wenn Neurose als Pathologie einer bereits strukturierten Persönlichkeit aufgefaßt wird, für die verdrängte ödipale Liebes- und Haßprobleme spezifisch sind, dann ist es die Aufgabe des Therapeuten, dem Patienten zu helfen, sich dieser Probleme bewußt zu werden und sie zu lösen, indem er ihm Einsichten durch Deutungen und Durcharbeiten anbietet. Das zuvor Gesagte kann auch durch die Aussage ausgedrückt werden, daß Psychotherapie immer danach strebt, Internalisierungen in einer Weise zu fördern, die phasenspezifisch für die Entwicklungsstörung des Patienten ist. Bei Psychosen ist es das Ziel, ein gutes Introjekt mit der korrespondierenden Imago eines akzeptablen Selbst zu schaffen. Bei Borderline-Zuständen ist es das Ziel, eine kohärente Ich-Struktur mit Hilfe von selektiven Identifizierungen zu erreichen. Bei Neurosen ist das Endziel die schließliche Integration von Internalisierungen zu einem realistischen Identitätsgefühl und altersgemäßen Objekten. Für den psychotischen Patienten müssen wir ein Objekt werden, für den Borderline-Patienten müssen wir als Objekt handeln, und den neurotischen Patienten endlich müssen wir von einem Objekt befreien, das für ihn überflüssig geworden ist. Ich habe selbstverständlich nicht die Absicht, schematisch zu fordern, daß Psychosen ausschließlich durch Gratifikation, Borderline-Zustände durch das Angebot von Identifikations-Modellen oder Neurosen durch die Förderung von Einsicht behandelt werden sollten. Alle jene Faktoren neigen dazu, in verschiedenem Ausmaß in den meisten therapeutischen Prozessen gegenwärtig zu sein, wobei in den aufeinanderfolgenden Stadien der eine oder andere dominiert. Was phasenspezifisch in jedem gegebenen Augenblick heilend wirkt, hängt vollständig von der spezifischen Natur der Interaktion und von dem Niveau des primären Objekts, das der Therapeut für den Patienten darstellt, ab. Dies richtig zu erfassen, hängt von der Sensitivität und der Geschicklichkeit des Therapeuten, seine komplementären und empathischen Reaktionen zu benutzen, ab.