Neuere Erwägungen über den Klärungs- und den Deutungsprozeß - Jahrbuch der Psychoanalyse 13

von: Rudolf Ekstein, Hermann Beland, Friedrich-Wilhelm Eickhoff, Wolfgang Loch, Edeltrud Meistermann-Seeg

frommann-holzboog Verlag Jahrbuch der Psychoanalyse, 1981

ISBN: 0009410013204 , 27 Seiten

Format: PDF

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 18,00 EUR

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Neuere Erwägungen über den Klärungs- und den Deutungsprozeß - Jahrbuch der Psychoanalyse 13


 

Die Arbeit beschäftigt sich mit der Klärung des Begriffs der Interpretation. Freud selbst verwendete den Ausdruck »Interpretation« nicht, sondern sprach immer von »Deutung«. Bei der Untersuchung der verschiedenen Bedeutungen der Begriffe »Interpretation« bzw. »Deutung«, wie sie von Freuds »Traumdeutung« abgeleitet werden, stößt man auf eine subtile Parallele zwischen den Werken des Philosophen Ludwig Wittgenstein und jenen von Sigmund Freud, den Zeitgenossen, die ihre entscheidenden Arbeiten um die Jahrhundertwende vollendeten. Wittgenstein betonte, daß selbst wenn alle möglichen wissenschaftlichen Fragen beantwortet sind, unsere Lebensprobleme noch gar nicht berührt sind. Er war dafür, daß die Philosophie, die linguistische Philosophie, nicht versuchen sollte, Fragen zu beantworten. Das wäre die Aufgabe der Naturwissenschaft. Die Klärung philosophischer Probleme führt nicht zu deren Beantwortung, sondern zur Auflösung, zum »Verschwinden dieses Problems«. Freud charakterisiert die Arbeit der Psychoanalyse als einen Vorgang, bei dem die Aufhellung des Unbewußten, der vergessenen Erinnerung, zur Auflösung, zum Verschwinden des Problems führt. Er vergleicht den analytischen Prozeß mit dem der Archäologie: »... durch einen Hinweis auf die in meinem Zimmer aufgestellten Antiquitäten. Es seien eigentlich nur Grabfunde, die Verschüttung habe für sie die Erhaltung bedeutet. Pompeji gehe erst jetzt zu Grunde, seitdem es aufgedeckt sei.« In diesem Essay wird folgender Vorschlag gemacht: Die philosophische Überlegung wird das Problem zum Verschwinden bringen und die Rätsel lösen; psychoanalytische Reflexion — die eine besondere Variante von Reflexion darstellt — wird den unbewußten Konflikt dem Bewußtsein verfügbar machen und wird damit dem berühmten Ausspruch Freuds Sinn geben: »Wo Es war, soll Ich werden«. Freud hat einmal vorgeschlagen, daß die Psychoanalyse mit dem königlichen Schachspiel verglichen werden könnte. Wir beziehen uns auf den besonderen Unterschied des Spieles, wie es durch die Regeln des psychoanalytischen Prozesses definiert wird. Die Teilnehmer an dem analytischen »Spiel«, der Analytiker und der Analysand, benützen ein System der Kommunikation, das für jeden von ihnen verschiedenartige Regeln vorsieht. Der Patient soll sich nur der freien Assoziation bedienen. Der Analytiker wird vor allem interpretieren, deuten. So wird der psychoanalytische Dialog von zwei Menschen geführt, von denen jeder ein verschiedenes System der Kommunikation, verschiedene Sprachregeln benützt für das, was gesagt und was nicht gesagt werden darf. Und es ist dieses ungleiche Sprachspiel, das die Entwicklung des psychoanalytischen Prozesses möglich macht. Der Kampf zwischen der freien Assoziation und der Deutung bewirkt die Veränderung, die Entstehung der Ubertragungsneurose, ihre Entwicklung, ihre Auflösung und ihre besondere Richtung auf die Gesundung hin. So kann der Deutungsprozeß als ein Sprachspiel gesehen werden, bei dem der Analytiker die bewußten und die unbewußten Sprachregeln des Patienten dechiffrieren, also verstehen muß. Sowohl der Philosoph wie der Psychoanalytiker versuchen, die Bedeutung der Sprache zu entdecken, sowohl ihren Gebrauch als auch ihren Mißbrauch. Aber diese Analogie soll nicht dazu verleiten, zu glauben, daß die Auflösung eines philosophischen Problems und das Schwinden eines Symptoms identisch sind. So ist die Sprache der Deutung dazu bestimmt, eine Veränderung zu ermöglichen, und darauf ist dieser Deutungsprozeß gerichtet. Die Betonung liegt daher nicht auf der Interpretation, auf Deutung, sondern auf dem Deutungsprozeß, liegt in der Suche mehr als in der Entdeckung, in der Überlegung, die der Aktivität und dem Wandel, der Veränderung dient, und die am Zweck, an der Nützlichkeit und der Verwendbarkeit orientiert ist.