Über Nachträglichkeit. Die Modernität eines alten Konzepts - Jahrbuch der Psychoanalyse 51

von: Friedrich-Wilhelm Eickhoff, Claudia Frank; Ludger M. Hermanns; Helmut Hinz

frommann-holzboog Verlag Jahrbuch der Psychoanalyse, 2005

ISBN: 0009410051201 , 23 Seiten

Format: PDF

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 18,00 EUR

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Über Nachträglichkeit. Die Modernität eines alten Konzepts - Jahrbuch der Psychoanalyse 51


 

Nachträglichkeit verleiht der Erinnerung, nicht dem Ereignis traumatische Bedeutung und meint eine zirkuläre Komplementarität beider zeitlicher Richtungen. Von Freud bereits 1895 im Entwurf einer Psychologie konzipiert, bleibt das Konzept in seinem Werk zwar ohne offiziellen Status, aber durch den Charakter der Zweizeitigkeit und der Latenz zum Verständnis zeitlicher Zusammenhänge und psychischer Kausalität unverzichtbar und als implizites Prinzip mit dem Aufschub und dem zweizeitigen Ansatz des Sexuallebens verbunden. Es behält bis zur späten Moses-Studie seine allerdings oft verborgene Bedeutung. Vorübergehend in Vergessenheit geraten, wurde es 1953 durch Lacan wieder in Erinnerung gerufen. Übersetzungen ins Französische als après-coup und ins Englische als deferred action haben die in der von Freud geprägten substantivischen Form Nachträglichkeit zusammengefassten beiden Vektoren, nämlich Rückwirkung und Nachwirkung, getrennt hervorgehoben. Unbemerkt hat es in vielen Aspekten der klinischen Praxis eine Rolle gespielt, so in Winnicotts Fear of Breakdown und dem im hic et nunc et mecum stattfindenden nachträglichen Durcharbeiten unbewußter infantiler, aber auch transgenerationeller Konflikte. Wolfgang Loch, dessen Andenken diese Arbeit gewidmet ist, hat Freuds Konzept der Nachträglichkeit erweitert, indem er Deutungskunst als innovatives Unterfangen vertrat, durch das Zusammenhänge durch nachträgliche sinnerschließende Reinterpretation subjektiver Vergangenheit nicht nur aufgedeckt, sondern auch geschaffen werden. Ein in Paris 1998 stattfindendes Symposion hat einen starken Anstoß zu einer neuerlichen klinischen Reflexion der Nachträglichkeit gegeben, die sich aktuell in einem Dialog zwischen Haydée Faimberg und Ignes Sodré widerspiegelt. Auf die interdisziplinäre Rezeption des Nachträglichkeitskonzepts, besonders in den Kulturwissenschaften, wird hingewiesen.