Orpheus und Eurydike. Vom Ursprungsmythos des Trauerprozesses - Jahrbuch der Psychoanalyse 26

von: Elke Haas, Friedrich-Wilhelm Eickhoff; Wolfgang Loch; Hermann Beland; Edeltrud Meistermann-Seeger; H

frommann-holzboog Verlag Jahrbuch der Psychoanalyse, 1990

ISBN: 0009410026207 , 23 Seiten

Format: PDF

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 18,00 EUR

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Orpheus und Eurydike. Vom Ursprungsmythos des Trauerprozesses - Jahrbuch der Psychoanalyse 26


 

Ausgangspunkt dieser Arbeit ist die Beobachtung, daß sich im Trauerprozeß dieselbe Dramaturgie wiederfinden läßt, wie im Mythos von Orpheus und Eurydike. Im einzelnen gehe ich folgenden Parallelen nach: 1. Orpheus' Gang in die Unterwelt stellt die sehnsüchtige Erwartungshaltung und das schmerzliche Suchen am Anfang des Trauerprozesses dar. Die Grenzen zwischen Lebenden und Toten sind in einer vorübergehenden Regression aufgehoben. Emotional lebt Eurydike weiter, und dieses gefühlsmäßige Wissen erzeugt die lebendigen Wunschbilder der Verstorbenen. Gleichzeitig legt der Realitätssinn ein schmerzliches Veto ein. Das sind die Höllenqualen, denen sich jeder Trauernde ausgesetzt fühlt. 2. Orpheus' folgenschwerer Blick zurück ist der zweite Akt im Drama des Trauerprozesses. Zurückblicken verstehe ich als Sicherinnern. Qua Erinnerungsarbeit tötet er noch einmal das geliebte innere Objekt, wie überhaupt Erinnern einem Akt der Zerstörung gleichkommt. In dieser schmerzlichen inneren und äußeren Operation wandelt sich die Identität des Hinterbliebenen, er wird Witwer. 3. Im weiteren Verlauf der Trauer läßt das Suchen nach. Auch das Gefühl vermag den Tod zu akzeptieren. Die Grenze zwischen Lebenden und Toten ist wieder errichtet und demzufolge weigert sich Charon, Orpheus noch einmal ins Schattenreich überzusetzen. 4. Damit ist jedoch die Trauer keineswegs abgeschlossen. Die antiken Quellen, voran Ovid und Vergil, belegen dies. So wie sich zum Lebensende Orpheus' Gestalt auffächert, und er verschiedene Tode stirbt, scheint der Mythos die unterschiedlichen Auswege des Trauerprozesses aufzeigen zu wollen. Abschließend diskutiere ich andere Autoren, die sich mit Orpheus auseinandergesetzt haben, wie auch die wenigen psychoanalytischen Arbeiten zum Orpheusmythos.