Selbstdarstellung und Selbstentwicklung im manifesten Traum - Jahrbuch der Psychoanalyse 14

von: Ursula Grunert, Hermann Beland, Friedrich-Wilhelm Eickhoff, Wolfgang Loch, Edeltrud Meistermann-Seeg

frommann-holzboog Verlag Jahrbuch der Psychoanalyse, 1982

ISBN: 0009410014210 , 31 Seiten

Format: PDF

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 18,00 EUR

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Selbstdarstellung und Selbstentwicklung im manifesten Traum - Jahrbuch der Psychoanalyse 14


 

Die Zunahme an Wissen über die Mutter-Kind-Interaktionen der präödipalen Zeit, über die Subphasen des Loslösungs- und Individuationsprozesses, die Konstituierung des Selbst durch progressive Strukturierung der Repräsentanzenwelt wird m. E. bisher nicht genügend — ihrer Bedeutung entsprechend — im Zusammenhang mit dem Traumgeschehen und seiner Bearbeitung reflektiert. Ich nehme an, daß hier Freuds Vorbehalte gegen die Verwendung des manifesten Trauminhalts eine Rolle spielen, welche verhindern, die unmittelbare Traummitteilung ernst zu nehmen. Da Bildeindrücke und zentrale Erfahrungen im Gefühls- und Empfindungsbereich in der individuellen Entwicklung aber dem Benennen mit Worten und dem Verarbeiten in Gedanken vorausgehen, können, ja müssen diese m. E. auch unmittelbar im Traum auftauchen, wenn das frühe Erleben in der Analyse neu aktiviert wird. Wenn also im Verlauf der Analyse, bei genauer Kenntnis der Person des Träumers und des Übertragungsgeschehens, Träume berichtet werden — zumeist ohne spezifische Assoziationen — die für den Analytiker evident entweder den Gesamtzustand (Gesamtbefindlichkeit) des Träumers oder dissoziierte Teilaspekte des Selbst darstellen, scheint es oft sinnvoll, diese direkt im Zusammenhang mit dem Traumgeschehen zu deuten. Das setzt jedoch eine erhöhte Wachsamkeit des Analytikers dafür voraus, wann eine solche Mitteilung dem Patienten dazu verhilft, diese Seiten in sich sehen und annehmen zu können und wann sie nur zur unnötigen Vermehrung der seelischen Schmerzen, der Scham, der Wut etc. führen würde. Indem der Patient sich mit seinen dissoziierten, un- und vor-bewußten infantilen Selbstanteilen zeigt und durch das Anhören vom Analytiker damit gesehen, angenommen und verstanden wird, können die bisher voneinander abgespaltenen und entwerteten Selbstanteile zugelassen und im fortschreitenden Prozeß der Analyse integriert werden. Der Analytiker sollte sich deshalb nicht scheuen, entgegen Freuds Umgang mit Träumen, gegebenenfalls auch das manifeste Traumbild und Traumgeschehen, sowie die begleitenden oder symbolisierten Gefühle und Affekte ernst zu nehmen. Akzeptierendes Wahrnehmen und Verbalisieren dieser abgelehnten und nicht integrierten Anteile des Selbst können dem Patienten helfen, diese Aufspaltung zu erkennen und zu überwinden. Der Analytiker ermöglicht auf diese Weise dem Patienten — ohne zusätzliche Parameter oder Verletzung der Abstinenzregel — ein Stück Strukturbildung nachzuholen.