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Das authentische Selbst – eine Aufgabe - Jahrbuch der Psychoanalyse 43
Literarische Texte lösen bekanntlich keine Probleme, sondern beschreiben sie. In Ein Kommentar thematisiert Kafka die spannungsvolle, ja antagonistische Beziehung zwischen unserer Kompetenz, Leistungen zu erbringen und Anerkennung zu erwerben, symbolisiert in dem Konzept eines ›autonomen Ichs‹, unserer Fähigkeit kreativ zu sein, konzeptualisiert in dem ›reinen Ich‹ und unserer Aufgabe, diese beiden auseinander- und zusammenzuhalten, verstanden als die Verwirklichung eines ›autonomen Selbst‹. Das ›autonome Ich‹, dem Realitätsprinzip verpflichtet, ist den Leistungsanforderungen der Gesellschaft ausgesetzt. Dort aber gerät es in den Widerspruch, gleichzeitig autonom, d.h. sich selbst das Gesetz gebend zu sein und sich anpassen zu müssen. Das ›reine Ich‹ ist als kreative, künstlerische Instanz zwar autonom, aber es gerät ebenfalls in einen Widerspruch, weil es in der Sphäre, in der es sich selbst sein kann -- und jedes ›Sich-selbst-sein‹ heißt ›Sich-selbst-bleiben‹ -- nicht bleiben kann. Beide Fähigkeiten und Aktivitäten müssen auseinander -- und zusammengehalten werden. Da sie in sich widersprüchlich sind, kann die Synthese auch nur widersprüchlich sein. Das heißt nicht, daß sie unvorstellbar oder gar unmöglich wäre. Bildlich können wir sie als eine Ellipse mit zwei Brennpunkten fassen. Die gegensätzlichen Pole sind dabei weder erstarrt noch gedanklich fixiert -- sie schlagen permanent ineinander um. Wenn wir ihre dynamische Beziehung erfassen wollen, kommen wir notwendigerweise immer zu spät. Das authentische Selbst bleibt eine Aufgabe im doppelten Wortsinn.
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